Tinas Geschichte

Von Lebensträumen und neuen Anfängen

»Das ist Linja,« sagte Chiara mit sanfter Stimme und nickte in Richtung einer zarten Hündin, die ein Stück abseits saß. Ihr Fell war ein wunderschönes Spiel aus Schwarz und Weiß, und sie wirkte zugleich aufmerksam und ein wenig scheu. Linja hatte sich wie ein Schatten an den Rand des Geschehens zurückgezogen, den Blick wachsam auf die Gruppe gerichtet.

Denn Chiara, eine erfahrene Hundetrainerin, war heute nicht allein gekommen. Wie ein quirliger Sturm war ihr ganzes Hunderudel um sie herum – ein lebhafter Mix aus Groß und Klein, jung und alt, allen voran Hunde mit traurigen Geschichten, die bei ihr eine zweite Chance bekommen hatten. Sie nahm nicht nur Schüler auf, sondern auch Pflegehunde, die auf ein neues Zuhause warteten. Es war ihre Mission, diesen Seelen wieder Vertrauen in die Welt zu geben.

Heute hatte sie sich mit Tina getroffen, um Fotos von der ganzen Bande machen zu lassen. Begleitet wurde Chiara von Saskia, einer befreundeten Trainerkollegin. Saskia hatte ebenfalls eine Pflegehündin dabei: Linja. Die zarte Hündin mit dem schwarz-weißen Fell war erst vor kurzem bei Saskia eingezogen und versuchte sich noch in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden. Während der Rest des Rudels ausgelassen tobte, hielt sich Linja vorsichtig im Hintergrund – aufmerksam, aber zurückhaltend.

Und genau das fesselte Tina. Sie kniete auf dem Waldboden, ihre Jeans waren bereits voller Erde, und in ihren Schnürsenkeln hatte sich ein kleiner Zweig verfangen. Aber davon merkte sie nichts. Sie hatte ihre Kamera fest in den Händen und den Blick auf das wilde Treiben vor ihr fixiert: ein Rüde, der ausgelassen im Kreis rannte, eine Hündin, die sich spielerisch auf den Waldboden warf. Aber dann fiel ihr Blick auf Linja.

Und die Welt um sie herum schien zu verschwimmen, wie der Hintergrund auf ihren Fotos.  Goldene Augen schauten sie an und in ihnen spiegelte sich eine Mischung aus Zurückhaltung und Vertrauen. Später würde Tina sich oft fragen, ob nicht eigentlich alles, was danach geschehen würde, bereits in diesem Augenblick klar war. Doch später sind die Dinge natürlich immer klarer. Denn später würde sich der Sturm an Gedanken und Gefühlen wieder gelegt haben. Doch jetzt, in diesem Augenblick, an diesem warmen Frühlingstag im Wald, fing der Sturm gerade erst an. 
Und er begann mit einer scheinbar beiläufigen Bemerkung. »Sie sucht ein Zuhause,« sagte Chiara leise und musterte Tina dabei genau. Es war fast, als würde sie eine Frage stellen, ohne sie direkt auszusprechen.

Tina hielt inne. Ihr Finger, eben noch sicher auf dem Auslöser der Kamera, zitterte leicht. Sie spürte, wie ihr Herzschlag schneller wurde. Vor ihrer Kamera tobte das Rudel weiter. Ein quirliges Durcheinander aus Pfoten, wedelnden Schwänzen und spielerischem Gebell. Aber Tina nahm es nur noch am Rande wahr. Ihr Inneres war in Aufruhr. Die Worte hallten in ihrem Kopf wider: »Das ist Linja. Sie sucht ein Zuhause.«

»Das ist Linja.«

Tina schloss für einen Moment die Augen. In Gedanken sah sie sich selbst, wie sie Linja mit nach Hause nahm, wie sie sich gemeinsam aufs Sofa kuschelten, wie sie Spaziergänge am Meer machten. Sie spürte wieder eine Sehnsucht, die sie jahrelang verdrängt hatte. Seit ihrer Kindheit hatte sie immer wieder daran gedacht, einen Hund in ihr Leben zu holen, doch aus irgendeinem Grund war es nie geschehen.

»Jetzt«, dachte sie, »könnte es so weit sein.«

Während diese Gedanken in ihrem Kopf wirbelten, bewegte sich Linja ein kleines Stück näher. Noch immer vorsichtig, fast unsicher, doch die Geste blieb nicht unbemerkt. Tina spürte einen warmen Stich in ihrer Brust. Diese kleine Bewegung, diese winzige Annäherung – war es ein Zeichen?
Könnte sie Linja ein Zuhause geben? Könnte sie der Mensch sein, den diese zarte Seele brauchte? Und – könnte Linja vielleicht auch genau das sein, wonach sie selbst all die Jahre gesucht hatte? Tina wagte es kaum, sich die Antwort einzugestehen, aber eine kleine Flamme der Hoffnung begann in ihrem Herzen zu brennen.


Leguane und Wüstenspringmäuse

Die Erinnerung kam plötzlich und überwältigend, wie ein längst vergessenes Lied, das auf einmal im Radio spielt. Tina war wieder neun Jahre alt. Sie stand im Wohnzimmer, die Hände ineinander verschlungen, während ihr Blick unsicher über den Boden wanderte. Vor ihr saß ihr Vater, den Kopf schüttelnd, seine Worte wie ein sanfter, aber entschlossener Schlag: »Nein, Tina. Ein Hund kommt nicht ins Haus.«

Ihre Schultern sanken nach unten, schwer von der Enttäuschung, die so vertraut war, dass sie sie kaum noch hinterfragen konnte. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, zäh und hartnäckig. Sie wusste, was jetzt kommen würde. Die immer gleiche Erklärung, die sie auswendig kannte, ohne sie jemals wirklich akzeptieren zu können.

»Wir haben doch schon so viele Tiere«, fügte ihr Vater hinzu. Sein Blick wanderte über die belebte Szenerie des Wohnzimmers: das große Terrarium, in dem zwei gemächliche Leguane ihre Umgebung beobachteten, der Käfig mit den frechen Papageien, die manchmal so laut schrien, dass man sein eigenes Wort nicht verstand, und die Meerschweinchen, die in ihrem großen Gehege quietschend umherliefen. »Ein Hund braucht Zeit, Platz und Aufmerksamkeit. Vielleicht später.«
Aber später fühlte sich für Tina an wie eine Ewigkeit. Sie wusste, dass ihr Vater recht hatte. Das Haus war tatsächlich voller Leben, ein kleines Paradies für Tierliebhaber. Und doch blieb der Wunsch nach einem Hund ungestillt. Es war nicht nur der Wunsch nach einem Tier, sondern nach einem Freund, einem Gefährten, der nur ihr gehörte. Jemand, der auf sie wartete, wenn sie nach Hause kam. Jemand, mit dem sie all ihre Geheimnisse teilen konnte.
Die Jahre vergingen, und Tina fand sich mit der Realität ab. Doch in ihrem Inneren blieb der Traum lebendig. Er war wie eine kleine Flamme, die nicht erlosch, egal wie oft man sie zu ersticken versuchte. Ein Hund – ihr eigener Hund. Vielleicht, eines Tages, würde sie diesen Traum leben können.


Der Sprung ins Ungewisse

Und noch ein Traum hatte sich schon früh in Tinas Herz eingenistet – die Sehnsucht nach einer Stadt, die weit weg von ihrem Zuhause lag: Hamburg. Sie war erst 14 Jahre alt gewesen, als sie mit ihrer Familie die Hansestadt zum ersten Mal besuchte. Der Grund der Reise war das Musical Der König der Löwen, doch es war die Stadt selbst, die sie in ihren Bann zog.

Schon bei der ersten Begegnung mit der Elbe wusste Tina, dass hier etwas Besonderes auf sie wartete. Sie stand am Ufer, spürte die kühle Brise auf ihrer Haut und lauschte den Geräuschen des Hafens – dem tiefen Dröhnen der Schiffe, dem Kreischen der Möwen, dem gemächlichen Klatschen der Wellen. Die Mischung aus urbanem Flair und maritimem Charme fühlte sich an wie ein Versprechen, das nur darauf wartete, erfüllt zu werden.

In den Jahren danach kehrte Tina immer wieder zurück. 15 Mal machte sie sich auf den Weg nach Hamburg, und jedes Mal fühlte es sich an, als würde sie nach Hause kommen. Das vertraute Kribbeln begann schon beim Einchecken in Zürich, verstärkte sich während des Fluges und erreichte seinen Höhepunkt, sobald sie die ersten Schritte auf Hamburger Boden setzte. Sie verliebte sich in die Speicherstadt mit ihren majestätischen roten Backsteingebäuden, die endlose Weite der Alster, die pulsierende Energie der Reeperbahn und die wohltuende Nähe zum Meer, dessen salzige Brise beständig über die Stadt wehte. Und jedes Mal, wenn es Zeit war, Abschied zu nehmen, versprach sie sich: Eines Tages würde sie nicht mehr als Besucherin kommen.

Doch Träume bleiben oft Träume – bis man den Mut findet, den entscheidenden Sprung zu wagen. Für Tina kam dieser Moment Anfang 2020. Die Welt stand still, die Zeit schien zähflüssig zu verlaufen, und die Sicherheit, die sie so lange in ihrem Leben gesucht hatte, verlor an Bedeutung. Stattdessen wuchs in ihr das Verlangen nach Veränderung.

Der Gedanke, eines Tages in ihrem Wohnzimmer in der Schweiz auf dem Land zu sitzen und sich zu fragen: Was wäre wohl gewesen, wenn ich mich getraut hätte?, wischte die letzten Zweifel beiseite.

Und so tat sie es. Sie packte ihr Leben in ein Dutzend Umzugskartons, ließ die Berge hinter sich und zog nach Hamburg. Es war ein Sprung ins Ungewisse – aufregend und beängstigend zugleich. Doch es war auch ein Schritt nach Hause.
Als sie in ihrer neuen Stadt ankam, schien alles möglich. Noch ahnte sie nicht, dass dieser mutige Schritt nicht nur ihr Leben verändern, sondern auch den Raum schaffen würde, um mehr als nur einen Traum wahr werden zu lassen.


Ohne Puls

Mit einem Umzugswagen voller Habseligkeiten und einem Herz, das vor Hoffnung und Nervosität gleichermaßen schlug, zog Tina in eine Stadt, die sie schon so oft besucht, aber noch nie wirklich erlebt hatte. Hamburg war ihr Traum, der nun Realität wurde – doch die Realität sah anders aus, als sie es sich vorgestellt hatte. Es war der Sommer 2020. 

Was sie bei ihrer Ankunft vorfand, war nicht das lebendige Hamburg, das sie kannte und liebte. Die Pandemie hatte die Stadt verändert. Die Straßen, die sonst vor Leben pulsierten, lagen still und verlassen. Cafés und Geschäfte, die sie auf ihren früheren Besuchen so oft zum Verweilen eingeladen hatten, waren geschlossen. Es war, als hätte jemand den Herzschlag der Stadt angehalten.

»Es fühlte sich an, als hätte Hamburg seinen Puls verloren,« dachte Tina oft in den ersten Wochen. Der Kontrast zu den lebendigen Erinnerungen, die sie mit der Stadt verband, war schmerzlich. Die neue Wohnung bot zwar einen sicheren Rückzugsort, doch sie verstärkte auch die Einsamkeit. Die Arbeit in ihrer neuen Position in der Personalabteilung half ihr, sich abzulenken, doch das Homeoffice und die strengen Kontaktbeschränkungen ließen kaum Raum, um neue Menschen kennenzulernen.

Abends saß Tina oft allein in ihrem Wohnzimmer. Die Stille wurde nur von den Geräuschen der Stadt unterbrochen – gelegentliches Rauschen der Autos auf der fernen Straße oder das leise Dröhnen eines Frachters auf der Elbe. In solchen Momenten fragte sie sich, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. War es ein Fehler gewesen, ihre gewohnte Umgebung, ihre Familie und Freunde hinter sich zu lassen? Hatte sie sich überschätzt?

Doch tief in ihrem Inneren wusste Tina, warum sie diesen Schritt gegangen war. Sie wollte mehr als nur den Traum, sie wollte das Abenteuer, die Herausforderung, die Möglichkeit, über sich hinauszuwachsen. Und so hielt sie an ihrem Entschluss fest. Sie hatte Hamburg zu ihrer Heimat machen wollen, und jetzt war sie hier. Aufgeben kam nicht infrage.

Nach und nach fand sie Wege, die leeren Tage zu füllen. Ihre Kamera, die sie schon immer begleitet hatte, wurde zu einem Rettungsanker. An den Wochenenden schnappte sie sich ihre Ausrüstung und fuhr raus – an die Nord- und Ostsee, in die umliegende Natur, dorthin, wo die Weite und Stille sie beruhigten. Die Bilder, die sie auf ihren Reisen einfing, waren nicht nur eine Verbindung zurück zu ihrer Familie und ihren Freunden in der Schweiz, sondern auch ein Weg, sich selbst in ihrer neuen Umgebung zu verankern.

Tina lernte, in der Leere eine Chance zu sehen. Hamburg mag seinen Puls verloren haben, aber tief in ihrem Herzen spürte sie, dass er zurückkehren würde – und mit ihm auch ihre Verbindung zur Stadt.


Rettungsanker

In jenen stillen Wochen wurde Tinas Kamera zu ihrem ständigen Begleiter – ein Stück Vertrautheit in einer fremden Umgebung. An den Wochenenden packte sie ihre Ausrüstung und suchte die Flucht ins Weite. Sie fuhr an die Nordsee, die Ostsee oder streifte durch die umliegende Natur, immer auf der Suche nach Momenten, die es wert waren, festgehalten zu werden.

Durch die Linse ihrer Kamera schuf Tina sich eine neue Verbindung zu ihrer Umgebung. Sie entdeckte die Stille der menschenleeren Strände, das unaufdringliche Rauschen des Meeres, die sanften Farben des Himmels, wenn die Sonne hinter den Dünen versank. Jeder Sonnenuntergang, jede Welle, die in unermüdlichem Rhythmus ans Ufer rollte, wurde zu einem kleinen Triumph. Diese Bilder waren nicht nur Aufnahmen, sondern auch Botschaften – an sich selbst und an die Menschen, die sie zurückgelassen hatte.

Tina schickte die Fotos an ihre Familie und Freunde in der Schweiz. Oft schrieb sie ein paar Zeilen dazu, berichtete von ihren Erkundungen, von dem, was sie fühlte, und von ihrem langsamen, aber stetigen Ankommen in der neuen Stadt. Es war ihre Art zu zeigen: Mir geht es gut. Ich finde meinen Weg. Die Bilder wurden zu einer Brücke, die die Distanz zwischen ihr und ihrem alten Zuhause überbrückte – und zugleich halfen sie ihr, in ihrer neuen Heimat Wurzeln zu schlagen.
Jedes Foto war ein Beweis dafür, dass sie weitermachte, dass sie nicht aufgab, auch wenn es manchmal schwerfiel.

Durch die Kamera fand Tina Halt und einen neuen Blick auf die Welt, der sie daran erinnerte, dass Schönheit und Hoffnung selbst in den stillsten Momenten zu finden sind.


Ein Funke Hoffnung

Im Februar 2021, inmitten stiller Tage, brachte eine Freundin eine Idee ins Spiel, die Tinas Leben in eine unerwartete Richtung lenken sollte. Es war ein ganz normales Facetime-Gespräch, doch die Worte, die Julia dabei sagte, blieben hängen.

Julia, mit einem warmen Lächeln, lobte Tinas Bilder: »Deine Fotos sind wirklich toll. Warum zeigst du sie nicht der Welt?«

Tina, zunächst verwundert, konnte sich kaum vorstellen, was Julia meinte. Ihre Bilder hatte sie immer als etwas Privates betrachtet, Momentaufnahmen für sich selbst und die Menschen in ihrem engsten Kreis. Dass Fremde diese Fotos sehen und möglicherweise schätzen könnten, war ein Gedanke, der ihr völlig fremd war – und ehrlich gesagt, ein wenig beängstigend.

Julia schlug vor, ein Instagram-Profil zu erstellen. Es sollte ein Ort sein, an dem Tina ihre Bilder teilen und herausfinden könnte, ob sie auch andere Menschen berührten. Obwohl Tina den Vorschlag zunächst mit einem Lachen abtat, ließ sie die Idee nicht los. Was, wenn Julia recht hatte? Was, wenn ihre Bilder nicht nur für sie selbst Bedeutung hatten?

Nach einigen Wochen des Grübelns beschloss Tina, den Schritt zu wagen. Es war keine spontane Entscheidung, sondern ein wohlüberlegter Moment des Mutes. Sie erstellte ein Instagram-Profil und lud ihre ersten Bilder hoch. Es war ein kleiner Klick, aber für Tina fühlte es sich an wie ein großer Sprung.

Die Resonanz überraschte sie. Mit jeder Aufnahme, die sie teilte, wuchs ihr Mut. Sie begann, die Welt durch die Linse ihrer Kamera auf eine neue Weise zu betrachten. Die Reaktionen auf ihre Bilder zeigten ihr, dass ihre Sichtweise, ihre Art, die Welt einzufangen, eine Wirkung hatte – eine Verbindung schuf.

Was zunächst wie ein Experiment erschien, wurde schnell zu einer Leidenschaft, die Tina nicht mehr losließ. Dieser erste Schritt, so zögerlich er vielleicht auch gewesen sein mochte, entfachte einen Funken Hoffnung. Es war der Beginn einer Reise, die ihr zeigte, dass ihre Leidenschaft mehr sein konnte als nur ein Hobby – sie konnte ein Teil ihres Lebens werden, der sie zutiefst erfüllte.


Fotografin

Das Erstellen ihres Instagram-Profils markierte einen entscheidenden Wendepunkt in Tinas Leben. Vom ersten Moment an hatte es ihr ungeahnte Freude bereitet, ihre Bilder mit anderen zu teilen und die positiven Reaktionen darauf zu erleben. Sie erinnerte sich später daran, wie es sie angespornt hatte, noch mehr zu entdecken, noch mehr zu fotografieren. Was einst als Hobby begonnen hatte, war längst zu einer festen Leidenschaft geworden – ein zentraler Bestandteil ihres Alltags, der sie erfüllte und ihr neue Perspektiven eröffnete.

Doch während Tina ihre Fotos mit der Welt teilte, begann in ihr ein neuer Gedanke zu keimen. Könnte sie diese Leidenschaft in ein Business verwandeln? Es war ein leiser, vorsichtiger Traum, aber er ließ sie nicht los. Schon immer hatte sie davon geträumt, mit etwas Geld zu verdienen, das sie wirklich erfüllte. Doch die Umsetzung dieses Traums blieb zunächst unklar.

Besonders bei der Landschaftsfotografie plagten sie Zweifel. Die Konkurrenz war groß, und die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz schienen die Wertschätzung für handgefertigte Bilder zu verändern. Es fühlte sich an, als stünde sie an einem Scheideweg, ohne genau zu wissen, welchen Pfad sie einschlagen sollte. Doch dann kam die Idee der Tierfotografie – ein Moment der Klarheit. Anders als bei Landschaften sah sie hier eine Dynamik, die sie faszinierte: die persönliche Verbindung zwischen Mensch und Tier. Diese einzigartigen Bindungen, die keine Technologie je nachahmen konnte, wollte sie sichtbar machen.

Mit dieser neuen Ausrichtung meldete sich Tina im März 2023 für den Fotografenschmiede-Businesskurs an. Die Gewerbeanmeldung war bereits erfolgt, doch die Frage, wie sie ihre Leidenschaft in ein nachhaltiges Business umwandeln konnte, blieb offen. Der Kurs brachte Struktur in ihre Gedanken. Sie lernte, ihre Zielgruppe zu definieren, Angebote klar zu formulieren und ihre Fotografie Schritt für Schritt zu einem professionellen Standbein auszubauen. Die Unterstützung und das Feedback aus der Community halfen ihr, Unsicherheiten zu überwinden und neue Kontakte zu knüpfen.

Die Entscheidung für die Tierfotografie fühlte sich für Tina von Anfang an richtig an. Jedes Shooting zeigte ihr, dass sie auf dem richtigen Weg war. Aus einem einfachen Instagram-Profil wurde ein neues Kapitel in ihrem Leben – eines, das ihre Liebe zu Tieren und ihre Leidenschaft für Fotografie miteinander verband. Es war der Beweis dafür, dass Mut und Hingabe die besten Wegweiser sind.
Mit der Tierfotografie fand Tina nicht nur ihren beruflichen Weg, sondern auch eine Arbeit, die sie tief erfüllte. Für sie war es mehr als das Festhalten eines Moments – es war die Kunst, die Magie eine Beziehung einzufangen.

Hunde zu fotografieren bedeutete, Momente voller Vertrauen, Freude und Liebe sichtbar zu machen. Es waren die kleinen, spontanen Augenblicke, die eine Verbindung so besonders machten: ein sanfter Blick, eine spielerische Geste, ein gemeinsames Lachen.
Die Kamera, die einst ihr Rettungsanker in einer einsamen Zeit gewesen war, wurde zu ihrem wichtigsten Werkzeug – ein Mittel, um echte Geschichten zu erzählen. Durch die Linse sah Tina nicht nur die Welt, sondern auch die einzigartigen Verbindungen zwischen Menschen und ihren Tieren. Mit jedem Klick wuchs nicht nur ihr Portfolio, sondern auch ihr Selbstvertrauen.

Tina wusste, dass sie etwas Wertvolles schuf: Erinnerungen, die für immer bleiben würden. Ihre Arbeit war kein Job im klassischen Sinn, sondern Ausdruck ihrer Leidenschaft und ihrer Fähigkeit, die Welt um sie herum mit einem besonderen Blick zu betrachten. So wurde die Tierfotografie für Tina nicht nur ein beruflicher Erfolg, sie machte Tina zufriedener. 


die ersten Shootings

Tinas erste Shootings waren geprägt von einer Mischung aus Vorfreude und Nervosität. Sie fragte sich immer wieder, ob sie die besonderen Verbindungen zwischen Mensch und Hund, die sie so berührten, auch mit ihrer Kamera einfangen konnte. Doch in dem Moment, in dem sie die Kamera in die Hand nahm und die Hunde vor ihrer Linse sah, verschwanden alle Zweifel. Sie war ganz in ihrem Element.

Die kleinen Gesten, spielerischen Momente und der unverkennbare Ausdruck von Liebe und Vertrauen – all das fügte sich vor ihrer Kamera zu einem stimmigen Bild zusammen. Für Tina gab es kaum etwas Schöneres, als diese Verbindungen festzuhalten. Besonders in solchen Augenblicken wusste sie, warum sie diesen Weg eingeschlagen hatte.

Ein Shooting blieb ihr besonders im Gedächtnis. Es war mit einem älteren Hund, der kurz vor seiner letzten Reise stand. Seine Besitzerin wünschte sich ein paar besondere Bilder, um die gemeinsame Zeit in Erinnerung zu behalten. Tina spürte sofort die Bedeutung dieses Moments und setzte alles daran, ihn einzufangen. Es war eine emotionale Erfahrung, die sie tief berührte. Die Dankbarkeit in den Augen der Besitzerin, als sie die fertigen Bilder sah, bestätigte Tina, dass sie mit der Fotografie nicht nur schöne Aufnahmen schuf, sondern etwas viel Wertvolleres: bleibende Erinnerungen.

Mit jedem Shooting wurde Tina klarer, wie sehr die Fotografie ihr Leben bereicherte. In ihrem Hauptjob in der Personalabteilung war die Wertschätzung oft sachlich und nüchtern – ein »Danke« war das höchste Lob. Doch die Reaktionen ihrer Fotografie-Kund*innen gingen weit darüber hinaus. Die Emotionen, die ihre Bilder auslösten, waren tief und aufrichtig.

Wenn Menschen vor Freude oder Rührung Tränen in den Augen hatten, weil sie einen Moment festgehalten hatte, der ihnen so viel bedeutete, wusste Tina, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Diese Erfahrungen zeigten ihr, dass ihre Arbeit nicht nur aus Bildern bestand, sondern aus Geschichten und Erinnerungen, die für immer bleiben würden.


Balance

Für Tina war die Fotografie mehr als nur ein kreativer Ausgleich – sie war ein Stück Freiheit, ein Raum, in dem sie sich selbst verwirklichen konnte. Gleichzeitig blieb sie realistisch. Ihr Hauptjob in der Personalabteilung eines Unternehmens blieb ihre Haupteinnahmequelle, während sie ihre Leidenschaft behutsam aufbaute. Sie wollte die Fotografie langsam und nachhaltig entwickeln, ohne sich zu sehr unter Druck zu setzen, denn für sie war es kein kurzfristiges Projekt, sondern etwas, das Freude bereiten und ihr Leben bereichern sollte.

Der Spagat zwischen ihrem Vollzeitjob und der Fotografie war jedoch nicht immer leicht. Mit mindestens 40 Stunden pro Woche in ihrem Hauptberuf war Tina oft stark eingespannt. Doch sie setzte klare Prioritäten und richtete feste Zeitslots ein, die ausschließlich ihrer Fotografie gewidmet waren. Diese Struktur half ihr, beidem gerecht zu werden. Dabei ging es ihr auch darum, Kund*innen nicht lange warten zu lassen, denn sie wollte zuverlässig bleiben, ohne ihre Leidenschaft in Stress ausarten zu lassen.

Wenn kein Auftrag hereinkam, nutzte Tina die frei gewordene Zeit, um andere Aufgaben zu erledigen, die mit ihrer Selbstständigkeit verbunden waren: Die Pflege ihrer Website, die Planung von Social-Media-Inhalten oder einfach kreative Projekte für sich selbst. Diese bewusste Planung ermöglichte es ihr, mit ihrer Leidenschaft produktiv zu bleiben, ohne sich von ihrem vollen Alltag überwältigen zu lassen.

Die Fotografie war für Tina kein Stressfaktor, sondern eine Quelle der Erfüllung. Im Gegensatz zu ihrem Hauptjob, in dem sie oft Ergebnisse erarbeitete, deren Wirkung sie nicht direkt sehen konnte, bot ihr die Fotografie eine greifbare Zufriedenheit. Der Moment, wenn sie ein gelungenes Bild vor sich sah, gab ihr eine Art Bestätigung, die sie in ihrer beruflichen Laufbahn nicht immer so unmittelbar erlebte.

Tina trennte nicht strikt zwischen ihrem Hauptjob und ihrer Fotografie, sondern verband beide Welten geschickt miteinander. Ihre Erfahrungen aus der Personalabteilung – insbesondere der Umgang mit Vertrauen und Empathie – kamen ihr bei Shootings zugute. Sie wusste, wie wichtig es ist, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich Menschen und Tiere wohlfühlen, um authentische und emotionale Momente einfangen zu können.

Die Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen, wurde so zu einem entscheidenden Vorteil in beiden Bereichen. Bei einem Shooting ging es für Tina nicht nur darum, die Kamera zu bedienen, sondern darum, die Persönlichkeit und Beziehung zwischen Mensch und Tier einzufangen. Dadurch wurde die Fotografie nicht nur zu einem Ausdruck ihrer Leidenschaft, sondern auch zu einer Erweiterung ihrer beruflichen Kompetenzen.

Für Tina war die Fotografie kein Sprint mit einer festen Deadline, sondern eine stetige Reise, die sie mit Geduld und Hingabe anging. Sie wusste, dass sie sich die Zeit nehmen durfte, zu wachsen – und genau das machte die Fotografie zu einem festen und bereichernden Bestandteil ihres Lebens.


Angekommen

Von Anfang an war Tina klar, dass sie sich keinen Druck machen wollte. Wenn die Fotografie gut lief, könnte sie vielleicht irgendwann ihre Stunden im Hauptjob reduzieren. Aber es sollte immer etwas bleiben, das ihr Freude machte – eine Herzensangelegenheit, die sie mit Leidenschaft verfolgte, ohne dabei ihre Sicherheit zu gefährden.

Gerade diese Balance war es, die die Fotografie für Tina so besonders machte. Mit jedem Shooting, jedem neuen Auftrag und jeder begeisterten Rückmeldung spürte sie, wie nicht nur ihr Business, sondern auch ihre Leidenschaft wuchs. Die Reaktionen ihrer Kund*innen – das Lächeln, die Freude und manchmal auch die Tränen beim Betrachten ihrer Bilder – bestätigten sie immer wieder in ihrem Weg.

Dieser Weg führte sie schließlich zu dem bedeutungsvollen Shooting mit Chiara. Während Tina mit ihrer Kamera inmitten von Chiaras lebhaftem Hunderudel arbeitete, kamen Zweifel in ihr auf. Sie fragte sich, ob sie in ihrem durchgetakteten Berufsalltag überhaupt genug Zeit für einen Hund hätte. Ob sie all die Kompromisse eingehen könnte, die mit einer solchen Entscheidung verbunden wären.
Doch tief in ihrem Inneren spürte Tina, dass die Antwort längst klar war. Die Verbindung zwischen den Hunden und ihren Menschen, die sie durch ihre Kamera immer wieder einfing, hatte sie längst berührt. Es war unvermeidlich, dass sie dieser Liebe eines Tages nachgeben würde.

Nach dem Shooting blieb Tinas Blick immer wieder an Linja hängen – einer zarten, zurückhaltenden Hündin, die sich vorsichtig auf ihre Umgebung einließ. Gerade diese Zartheit berührte Tina. Sie hatte Zweifel, ob Linja mit ihrem vollen und erlebnisreichen Alltag zurechtkommen könnte, doch sie entschied sich, es zu versuchen – für Linja und auch für sich selbst.

Die ersten Wochen waren ein vorsichtiges Herantasten. Linja war anfangs zurückhaltend, doch mit jeder gemeinsamen Stunde wuchs ihr Vertrauen. Schon bald lösten sich Tinas Zweifel in Luft auf. Linja wurde zu einem festen Bestandteil ihres Lebens – zu einer Begleiterin, die sie nicht mehr missen wollte.

Bei Shootings lag Linja entspannt auf ihrer Decke, als wolle sie sagen: Mach du deinen Job, ich bin hier, wenn es wieder spannend wird. Und wenn Tina sie einmal nicht mitnehmen konnte, blieb Linja ruhig und entspannt zu Hause. Diese Gelassenheit erleichterte Tina den Spagat zwischen Hauptjob, Fotografie und ihrer Verantwortung als Hundebesitzerin enorm.

Doch Linja war weit mehr als nur eine treue Begleiterin. Durch sie entwickelte Tina ein noch besseres Gespür für fremde Hunde, für deren Posen und Körpersprache. Sie lernte, wie wichtig Vertrauen und Bindung sind – nicht nur bei der Erziehung, sondern auch in der Fotografie. Linja zeigte ihr, dass Perfektion nicht das Ziel sein musste. Vielmehr ging es darum, eine Verbindung zu schaffen, die auf Liebe und Vertrauen basierte.

Mit diesem mutigen Schritt erfüllte Tina nicht nur einen, sondern gleich drei ihrer großen Lebensträume. Vielleicht musste alles genau so kommen, weil die großen Träume immer ihren Weg in unser Leben finden. Oder vielleicht war es der erste kleine Funken Mut, der sie dazu brachte, weiterzuwachsen und sich auch die anderen Träume zuzutrauen – wie Dominosteine, die sich gegenseitig anstoßen.

Eines ist sicher: Ohne diesen ersten Schritt und eine Prise Mut hätte es diese ganze Geschichte nicht gegeben. 

Ende

Tine sitzt auf dem Sofa mit Kaffee in der Hand.

Hi, ich bin Tine

Ich liebe es, Geschichten von Fotografinnen zu erzählen – von den ersten Schritten bis zu großen Erfolgen. Am liebsten bei einer Tasse Kaffee, denn jede Geschichte entfaltet sich wie ein gutes Gespräch: inspirierend, ehrlich und voller unerwarteter Wendungen. Lass dich mitnehmen, lerne aus den Erfahrungen anderer und finde neue Impulse für deinen eigenen Weg.


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